Skip to main content

Leitbild Rom e.V.

Vorbemerkung: Diese Fassung des Leitbildes wurde nach breiter Diskussion in Vorstand, Verein und in der Belegschaft am 02.12.2018 beschlossen. Obwohl prozesshaft, soll das Leitbild eine Orientierung für die nächsten Jahre sein.

 

Leitbild Rom e.V.

 

Roma, Romnja, Sinti und Sintize1 in Europa und Deutschland

Eigentlich sind Roma das europäische „Volk“, weil sie in allen europäischen Staaten anzutreffen sind; sie sind wesentliches Element der Zusammengehörigkeit Europas, mit besonders hohen Bevölkerungsanteilen sind sie in einigen Ländern des östlichen Europa beheimatet. Sie erinnern und mahnen die europäischen Institutionen, Verantwortung für die soziale und politische Chancengleichheit der Roma zu übernehmen.

Die Roma-Kultur ist vielfältig und bei weitem mehr als nur exotische Folklore. Schriftsteller, Wissenschaftler, Schauspieler und Regisseure schaffen europaweit bedeutsames Kulturgut.

Gleichzeitig werden Roma in den meisten europäischen Ländern seit vielen Jahrhunderten diskriminiert und unterdrückt. Mit der Verfolgung und Ermordung von Hunderttausenden Roma und Sinti durch den nationalsozialistischen Terror und seine Kollaborateure in den besetzten Ländern erreichte diese Entwicklung ihren Höhepunkt. Der Rom e.V. fühlt sich der steten Erinnerung an diesen Völkermord/Porajmos und der Durchsetzung von Entschädigung verpflichtet.

Seit dem Ende des NS-Regimes ist selbst angesichts der Massenverbrechen an Roma und Sinti der ihnen zu Grunde liegende Antiziganismus eine einflussreiche Kraft geblieben. Einige papierene Resolutionen der EU zu nationalen Integrationsplänen für Roma wurden in den meisten Staaten – wie auch in Deutschland – nicht umgesetzt. Gerade in den letzten Jahrzehnten erstarken überall in Europa nationalistische Kräfte, die Roma schikanieren und rassistisch verfolgen – so in vielen Balkan-Staaten, aber auch in Frankreich oder jüngst in Italien, der Ukraine und Ungarn.

Dort, aber auch in Deutschland, verschärft sich zusammen mit der schrittweisen Zerschlagung des Asylrechts (seit 1993) der Druck auf Roma-Geflüchtete und -Migranten, vor allem aus den Balkanländern. Über den Hebel der angeblich „sicheren Herkunftsländer“ wurden und werden Roma zu Tausenden zur „freiwilligen Ausreise“ gezwungen oder sie werden direkt abgeschoben.

Arbeit des Vereins

Der Verein wurde 1988 gegründet. Nach wie vor trägt er in seinem Namen die Formulierung „Vereinigung für die Verständigung von Rom (Roma und Sinti) und Nicht-Rom e.V.“ Seit 30 Jahren ist aber auch klar, dass es um weit mehr als gegenseitiges kulturelles und menschliches Verständnis geht. Von Anfang an hat der Verein auch politisch gekämpft: für gleiche Chancen für Roma und Sinti und für das Recht auf gleichberechtigte politische Teilhabe. Die politischen Forderungen konzentrieren sich nach wie vor auf die Forderung „Bleiberecht für alle Roma“.

Ab 2003 war im Verein zudem klar, dass der politische Kampf sowie die Sozial- und Geflüchteten-Beratung dringend durch pädagogische Projekte ergänzt werden müssen. Dem häufigen Aussortieren von Roma-Kindern aus Kitas und Schulen setzen wir individuelle Förderung mit dem Ziel einer erfolgreichen Integration ins Regelschulsystem entgegen.

Unsere pädagogischen Projekte arbeiten mit Roma- und Sinti-Kindern sowie anderen Zugewanderten und geflüchteten Kindern und ihren Familien. Ziel ist, die Kinder und ihre Familien so zu fördern, dass sie ihre Kompetenzen, ihre Selbstwirksamkeit und ihre Selbstbestimmung entwickeln können. Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft müssen von dieser zugesichert werden2. Die pädagogische Arbeit erfolgt auf der Basis einer emanzipatorischen Haltung und verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz sowie die Förderung der Resilienz, den Schutz der Kinder und Jugendlichen sowie die Förderung ihrer Entwicklung.

Weitere Perspektiven des Vereins

*Heute hat der Verein seine frühere Sozialberatung zu einer Geflüchteten-, Sozial- und Integrationsberatung ausgebaut. Dies auch vor dem Hintergrund, dass durch die Kölner Bleiberechtskampagne seit 2018 die Chance besteht, zahlreiche Duldungen in gesicherte Bleiberechte umzuwandeln. Auch die Antidiskriminierungsarbeit soll weiter deutlich ausgeweitet werden. Eine enge Verzahnung mit den pädagogischen Projekten ist zwingend notwendig.

*Aus dem Archiv und Dokumentationszentrum soll sich RomBuk zum Kultur- und Bildungshaus weiterentwickeln. Die Arbeit gegen Antiziganismus soll von hier aus intensiviert werden.

*Der Verein und seine Angebote sollen sich interkulturell öffnen. Schon heute sind Mitarbeiter und Vereinsmitgliedschaft bunt. Deshalb streben wir auch an, unter Beibehaltung des Vereins- Schwerpunktes unsere Angebote auch für andere Migranten zu öffnen. 

*Im Verein, im Vorstand, bei Ehrenamtlichen und Mitarbeitern streben wir ein paritätisches Verhältnis von Roma und Nicht-Roma an.

*Gleichzeitig unterstützen wir alle Anstrengungen von Roma und Sinti, sich auch außerhalb des Vereins selbstbestimmt zu organisieren.

*Der Verein sieht sich als Teil der Bürger- und Menschenrechtsbewegung. Er sieht sich dabei als Teil der aktiven Zivilgesellschaft. In diesem Zusammenhang bezieht er sich insbesondere auf die Grundrechte, die aus der dunklen Zeit des deutschen Faschismus ihre Lehren ziehen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Der Verein setzt alles daran, die offensichtliche Lücke zwischen positiver Verfassungsnorm und negativer gesellschaftlicher Realität zu schließen.

1 Um den Gender-Gesichtspunkt zu berücksichtigen, haben wir in der Überschrift diese Formulierung gewählt. Im Folgetext sind wir dem im Interesse der Lesefreundlichkeit nicht konsequent gefolgt.

2 Dieser Satz ist geändert aufgrund Vorstandsbeschluss vom 31.07.2020

 

Köln, 31.07.2020