Seit dem Winter 1985/1986, also seit bald 30 Jahren, setzt sich der Rom e.V. Köln für die Menschen- und Bürgerrechte von Sinti und Roma ein. Alles begann als damals Hunderte von Roma-Flüchtlingen aus Jugoslawien in Köln Zuflucht suchten. Seitdem haben viele KölnerInnen zusammen mit AktivistInnen aus der Minderheit eine Organisation aufgebaut, die sich in vielen Kämpfen und tagtäglicher Kleinarbeit bei Mitbürgern, Medien, Behörden und Politikern Gehör verschaffte.
Der Verein ist in folgenden Bereichen aktiv: //(hier finden Sie unser Organigramm zum Download)
1. Bleiberecht
Seit den Bürgerkriegen auf dem Balkan haben Tausende von Roma in der BRD und auch in Köln Zuflucht gesucht. Politik der Stadt Köln war es lange Zeit unterstützt von der immer restriktiver werdenden Ausländergesetzgebung, jeden weiteren Zuzug durch Abschreckung zu verhindern: durch möglichst kurze Duldungen, frühmorgendliche Festnahmen und Abschiebungen, Nötigung zur „freiwilligen“ Ausreise, Unterbringung in oft maroden Ghettoheimen, Verweigerung von Sozialhilfe, Naturalien statt Bargeld, Arbeitsverbot und Ausschluss der Kinder von der Schulpflicht (bis 2005) usw.
Der Rom e.V. hat in zahlreichen Kampagnen den Widerstand dagegen organisiert (Besetzungen des Ausländeramtes und anderer städtischer Behörden, des Reg Präsidiums, von EU-Stellen, ferner Protestcamps, Bettelmarsch, Mahnwachen, Kampagnen gegen einzelne Medien. Mit Unterstützung vieler KölnerInnen, der Kirchen und einzelner PolitikerInnen, vor allem der Grünen, haben wir erreicht, dass mittlerweile zahlreiche Roma-Familien Bleiberecht in Köln erhielten, Arbeit fanden und in eigenen Wohnungen leben. Auch wenn viele andere immer noch als nur Geduldete und in menschenwürdigen Verhältnissen leben müssen, ist das Leben dieser Flüchtlinge sicherer geworden, weil die Stadt den Widerstand gegen Abschiebungen weiterhin fürchtet.
2. Staatsbürgerschaft für deutsche Sinti und Roma
Viele Überlebende deutsche Sinti und Roma wurden nach dem Krieg als „displaced persons“ behandelt und erhielten nur eine Fremdenpass, obwohl sie vorher Kölner Bürger waren und die deutsche Staatsangehörigkeit hatten. Jetzt waren sie Bürger zweiter Klasse, denen man elementare Recht vorenthielt wie die Reisefreiheit und anderes. Der Rom e.V. konnte ihre deutsche Herkunft in mühsamen Recherchen in Archiven schließlich beweisen und in jahrelangen Verhandlungen mit der Stadt Köln die deutschen Pässe für die Menschen durchsetzen. Er berät die Nachkommen der Kölner Sinti erfolgreich auch bei der Verweigerung des Wehrdienstes. Deutschen Sinti und Roma steht der Verein nach wie vor bei Wohnungs- und Arbeitssuche (hier bis zum Bundesarbeitsgericht) bei.
3. Beratung und Hilfe für EU –Migranten
Seit dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur EU genießen deren Bürger Freizügigkeit in Europa. Viele Roma ergreifen diese Möglichkeit um den menschenunwürdigen Zuständen in diesen Ländern zu entkommen. Ihre jahrhundertelange Diskriminierung hat sich seit dem Anschluss weiter verschärft. Neoliberale Wirtschaftspolitik, forciert von ausländischen Investoren, hat auch viele National- Rumänen und Bulgaren verarmen lassen. Aber es traf vor allem Roma, die unter dem Sozialismus zu über 80 % in Arbeit waren: jetzt waren sie als erste entlassen worden. Dennoch gaben viele in Rumänien den Roma Schuld an der allgemeinen Verschlechterung. Zu den menschenunwürdigen Lebensbedingungen zählen auch marode Ghettosiedlungen, Behausungen auf Müllhalden, Aussonderung der Romakinder aus öffentlichen Schulen, schlechte medizinische Versorgung und alltäglicher Rassismus, der oft in pogromartige Übergriffe mündet. Die Menschen, die aus diesen Ländern zu uns kommen, haben lediglich Aufenthaltsrecht, aber keinen Anspruch auf Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Sozialleistungen Wir versuchen trotzdem mit befreundeten Ärzten Menschen mit akuten Krankheiten zu versorgen. Genau so wichtig ist die Unterbringung, weil die Leute oft unter Pappkartons im Wald schlafen. Unter bestimmten Bedingungen können wir ihnen manchmal Arbeit besorgen. Pro Beratungstag haben wir oft an die 25 Familien. Wo es den Menschen nicht gelingt, in Scheinselbständigkeit zu überleben oder durch Betteln, verdingen sie sich als Prostituierte oder auf dem „Hilfsarbeiterstrich. Dennoch schaffen es einige Familien, ihre Kinder in den Schulen anzumelden, auch bei uns in Amaro Kher.
3. Soziaberatung für Flüchtlinge oder „illegal“ Eingereiste.
Im Unterschied zu den Migranten besteht hier, jedenfalls solange die Behörde das Aufenthaltsrecht prüft, Anspruch auf Versorgung. Dabei geht es nicht nur um Aufklärung über ihre Rechte, sondern auch um Intervention und Durchsetzung von Rechten bei den städtischen Ämtern, die für Sozialhilfe, Arbeitsmöglichkeiten, Gesundheitsversorgung, Wohnversorgung sowie Ausbildung und Schule zuständig sind. Der Verein vermittelt bei Konflikten mit den Ämtern durch Dolmetscherdienste und Begleitung und hat inzwischen mit einigen Ämtern eine vertrauensvolle Kooperation erreicht. Der Verein betreibt auch eine Kleiderkammer und gibt Windeln und Spielsachen aus. Dinge, die in der Regel von KölnerInnen oder Firmen gespendet werden. Er bietet für die Hilfesuchenden Gespräüchskreise, Kinderbetreuung und Deutschkurse an. Neuerdings ist die
4. Pädagogische Projekte: Amaro Kher, Amen Ushta, Angle Dikhas
Seit 2005 betreibt der Verein das Projekt „Amaro Kher“– Unser Haus. Lange Jahre Vorbereitungsschule mit ganztägiger Betreuung, konzentriert sich Amaro Kher seit dem Schuljahr 2020/21 auf die Nachmittagsbetreuung. Amaro Kher bietet eine ganzheitliche Unterstützung im schulischen Lernprozess, Familienarbeit und Bildungspatenschaften an, um Kinder und Jugendliche und ihre Familien in ihrem Bildungsprozess zu begleiten und den gesamten Integrationsprozess zu stützen. Die Pfeiler des Konzeptes von Amaro Kher umfassen ein pädagogisches Bildungsangebot für den Nachmittag, eine intensive Familienarbeit und Bildungspatenschaften.
Seit sechs Jahren betreibt Amaro Kher auch einen Kindergarten und ein Familienzentrum im Auftrag der Stadt Köln, auch für U 3 Kinder. Einige Kinder können dank fachkundiger und engagierter Erzieherinnen direkt in die 1. Klasse der Regelschule eingeschult werden.
Amen Ushta ist ein weiteres pädagogisches Projekt des Vereins. Der Name bedeutet: “Wir stehen auf.“ Es geht es um die schulische Förderung von Roma-Flüchtlingskindern und von Kindern aus bulgarischen und rumänischen Familien, die im rechtsrheinischen Köln leben. Es ist an drei bis vier ausgewählten rechtsrheinischen Grundschulen angesiedelt und bezieht sich direkt auf die gesetzliche Verpflichtung der Schulen zur Inklusion.
Das neueste pädagogische Projekt ist Angle Dikhas, übersetzt: Nach vorne schauen – Perspektiven aufbauen. . Es richtet sich an Schüler:innen mit Roma Hintergrund aus Südosteuropa von Beginn der SEK I bis zum Übergang Schule-Beruf (im Rahmen der Landesinitiative KAoA). Ziel ist es, Kinder und Jugendliche, beim Einstieg in die Sekundarschule und beim regelmäßigen Schulbesuch zu unterstützen, und den Zugang zu den Bildungs-und Ausbildungsmöglichkeiten zu eröffnen. So können die Kinder und Jugendlichen und Ihre Familien Perspektiven für sich erkennen und Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe erfahren.
Der Verein erstrebt mit anderen Initiativen wie „Eine Schule für alle“ die Inklusion aller Roma-Kinder in die allgemeinbildenden Regelschulen, auch wenn dafür noch viele Vorarbeit von allen Seiten geleistet werden muss.
5. Archiv und Dokumentationszentrum
Der Rom e.V. hat bereits vor 20 Jahren mit dem Aufbau eines Zentrums für die Kultur und Geschichte der Roma und Sinti begonnen. Es wurde von dem damaligen Bundestagspräsident Wolfgang Thierse 1999 offiziell eingeweiht. Mittlerweile zählt es zu den größten Zentren in Europa auf diesem Gebiet. Es verfügt über eine Präsenzbibliothek mit über 10.000 Büchern, Zeitschriften (darunter Roma-Zeitschriften aus ganz Europa) und Aufsätzen zum Thema, ferner über bedeutende audiovisuelle Bestände an Original – Bilddokumenten wie Grafiken, Gemälden, Bildpostkarten, Fotosammlungen und Filmen, sowie eine große Sammlung von Platten und CDs. Ein umfangreiches Zeitungsarchiv dokumentiert die Berichte in den Medien über Roma und Sinti seit den 80er Jahren. Auch eine Abteilung, die sich mit der Verkitschung und Kommerzialisierung des „Zigeuner-Bildes“ beschäftigt, ist im Aufbau.
Das Doku-Zentrum gibt eine zweimonatlich erscheinende Netz-Zeitung heraus, die „Nevipe“, die über die Aktivitäten des Vereins informiert und aktuelle Themen zur Situation der Sinti und Roma behandelt. Da im Doku-Zentrum auch Historiker arbeiten werden oft Beiträge zur Verfolgunsgeschichte aber auch zur Beispielen von Integration der „Zigeuner“ in früheren Jahrhunderten aufgenommen. Zur Zeit erstellen wir Dossiers zu einzelnen Ländern.
Das Dokuzentrum hat mehrere viel beachtete Ausstellungen erstellt. Die letzte fand 2009 im Kölner Stadtmuseum statt und präsentierte Werke vom international bekannten Roma-Künstlern. Bereits zweimal hat der Verein ein Filmfestival organisiert.
6. Antirassistische Arbeit
Seit Mitte der 80er Jahre geht der Rom e.V aktiv gegen antiziganistische Aktivitäten oder entsprechende Hetze von Zeitungen, Radio und TV, Zeitschriften, Büchern und von Politikern vor. Es wurden Redaktionen und Bundesinstitute besetzt und einzelne Journalisten persönlich angegriffen. Einzelne Kölner Pressorgane wurden beim Presserat angezeigt, der daraufhin in zwei Fällen Rügen erteilte Schließlich sahen die wichtigsten Redaktionen ein, dass es rassistisch ist, bei der Berichtserstattung über einzelne Straftaten explizit die ethnische Zugehörigkeit zu nennen, so als wäre die Zugehörigkeit zur Minderheit bereits für sich ein Indiz für Kriminaität. Gegen rechtsradikale Hetze und Aktionen ist der Rom e.V. stets offensiv vorgegangen. Er organisierte große Festivals sowie zahlreiche Veranstaltungen. Jüngst war er Mitveranstalter mehrerer Tagungen zum Antiziganismus. In der Zeit pogromartiger Aktionen beteiligten sich Mitgleider des Rom e.V. an wochenlangen Nachtwachen vor Romahäusern. Der Verein war selbst immer wieder Objekt von rassistischen Angriffen. Er versteckte die Romafrau Nidar Pampurova monatelang vor dem Zugriff Rechtsradikaler und vor den Fahndern der Stadt Köln. Nidar war mit Hilfe des Rom e.V. nach ihrer Abschiebung wieder nach Köln zurückgebracht worden. Kölner Rassisten plakatierten die Stadt auf der Suche nach der „Asylbetrügerin“ mit Fahndungsplakaten und ihrem Foto voll und setzen ein Kopfgeld von 10.000 DM aus.
7. Erinnerungsarbeit
Der Rom e.V hat von Anfang an, die Bevölkerung, die Politiker, die Medien und die Behörden mit den deutschen Menschheitsverbrechen an den Roma und Sinti konfrontiert. Er gab zahlreiche Flugschriften und Broschüren heraus und demonstrierte bei Jahrestagen der NS-Verfolgung. Er organisierte zusammen mit Karola Fings und Frank Sparing und dem Landesverband der Sinti die Ausstellung „Nur wenige kamen zurück“ Zum 50 Jahrestag der Befreiung veranstaltet der Rom, e.V zusammen mit der Kölner Christlich – Jüdischen Gesellschaft eine Großveranstaltung mit über 2500 Besuchern mit den „Taraf de Haiduk“ aus Rumänien und der „Klezmatics“ aus New York. Er betreute zusammen mit dem NS Dokuzentrum das Werk „Die Zigeunerverfolgung in Köln“ von Karola Fings und Frank Sparing. Die mittlerweile europaweit bekannte Aktion „Stolpersteine“ ist aus einer Initiative des Rom e.V. entstanden, der 1990 zum 50. Jahrestag der Kölner Deportation von 1000 Sinti und Roma den Künstler Gunther Demnig bat eine Lackspur quer durch Köln zu legen und zwar längs des Weges, den die LKWs der Polizei, nachdem sie die Menschen aus einem Lager und aus ihren Wohnungen geholt hatten. Im Anschluß reichte der Rom e.V. bei der Verwaltung, dass Gunther Deming an 25 Stellen Messingplatten zur Erinnerung an die Deportation verlegen konnte. Schließlich verlegte er zusammen mit Vereinsmitgliedern die allerersten Stolpersteine vor Häusern im Kölner Griechenmarktviertel, in denen Roma-Familien gewohnt hatten. Eine gemischte Gruppe des Rom e.V. und des Kölner Appell besuchte mit Roma-Jugendlichen das KZ Auschwitz. Ein Höhepunkt unserer Arbeit war der erfolgreiche Prozess gegen Leni Riefenstahl und gegen die Lügen, die sie über die Häftlinge verbreitete, die von ihr als Komparsen für ihre Filme missbraucht worden waren.
8. Wiedergutmachung
Der Rom e.V. hat von Anfang an die Ansprüche auf Wiedergutmachung der Menschen durchgesetzt, die mangels Aufklärung oder Fristversäumnissen leer ausgegangen waren. Ende der 90 er Jahre stellte der Verein mit Erfolg ca. 100 Anträge zur Entschädigung aus dem Entschädigungs-Fond der Schweizer Banken.
9. Kulturarbeit
Der Verein hat in den letzten 25 Jahren mit Konzerten, Theater, Lesungen, Vorträgen, Colloquien, Filmfestivals und Ausstellungen in der Stadt Vorurteile abbauen können und viele neue Freunde für das Miteinander mit Roma und Sinti gefunden. Dabei wurden Roma immer mehr auch als Kulturschaffende wahrgenommen. Der Roma e.V. unterstützt mehrere Bands und Schriftsteller. Der Verein unterhält auch einen eigenen Chor, in dem Roma und Nicht-Roma gemeinsam alte Romalieder einüben. Für interessierte Nicht-Roma hat der Verein mehrmals Sprachkurse zur Erlernung des Romanes durchgeführt. Der Roma-Schriftsteller Jovan Nikolic, dessen Gedichtband 2012 als Buch für die Stadt ausgewählt wurde, ist seit langem Mitarbeiter des Rom e.V. Er konzipierte für den Verein das Projekt „Kulturkarawane“. Anhand selbst erstellter audiovisueller Materialien zur Geschichte und Kultur der Roma und mit Einführung in die Roma-Literatur anhand von Beispielen führender Romadichter versucht er, Schüler, Studenten und anderen Interessierten Leben und Denken der Roma nahezubringen. Er ist auch mit der Aktion „SOS – Schule ohne Rassismus“ vernetzt.
10. Internationale Vernetzung
Der Rom e.V. arbeitet mit zahlreichen internationalen Institutionen zusammen, die von Roma geführt werden oder für Roma arbeiten. Er nahm teil an Konferenzen mit dem ethnologischen Departement der Sorbonne und mit der Gyps Lore Society in USA. Er war Teilnehmer beim „Internationalen Kongress“ der Roma in Sevilla. Er unterhält engen Kontakt zu Roma-Wissenschaftlern in Belgrad und Skopje, in England und Tschechien. Er bezieht Zeitschriften von Roma-Verbänden aus ganz Europa. Er befindet sich zur Zeit im Austausch mit dem Schulministerium der Slowakei und dortigen Roma-Projekten.
11. Politische Arbeit
Der Verein versucht die Interessen von Roma und Sinti in vielfältiger Weise zu vertreten und durchzusetzen. Leider besteht die Hauptaufgabe zur Zeit immern noch in der Abwehr von Ausgrenzung und offenem Antiziganismus. Wir versuchen durch Aufklärung über Sendungen, Zeitungen und Broschüren sowie über Gutachten und unsere Internetzeitung und auch mittels Demonstrationen und anderen Interventionen gegenzusteuern. Es ist uns gelungen durch gute Kontakte in den Medien und zu Parteien, vor allem zu einzelnen Abgeordneten in Kommune, Land und Bund, zu Kirchen und anderen Migrantenverbänden Entscheidungen zu beeinflussen. Wo nötig schalten wir auch EU- oder andere internationale Gremien ein. Auf lokaler Ebene ist für uns die Zusammenarbeit mit Flüchtlingsinitiativen, mit antifaschistischen Gruppen und zu Institutionen wie dem NS Dokumentationszentrum sowie zu prominenten Fürsprechern besonders wichtig.
12. Das Team
Der Verein beschäftigt inzwischen 35 MitarbeiterInnen, davon 20 Hauptamtler, sowie 15 EhrenamtlerInnen. Roma arbeiten in der Schule, im Archiv, im Sport, in der Sozialberatung, in Küche und als Hausmeister und Fahrer mit den anderen Mitarbeitern eng und gleichberechtigt zusammen.