Die Sammlung des Rom e.V., verankert in der Organisationseinheit RomBuK – Bildung und Kultur im Rom e.V. / Archiv und Dokumentationszentrum (im Folgenden „Archiv“) – ist das Archiv einer sozialen Bewegung, die sich seit den 1980er Jahren in Köln für eine gleichberechtigte Teilhabe von Rom:nja und Sinti:ze in Köln, Deutschland und Europa einsetzt. Das Archiv und Dokumentationszentrum richtet sich nach dem Archivgesetz des Landes NRW.

Die Aufgabe des Archiv und Dokumentationszentrums ist es, den historischen und gegenwärtigen Antiziganismus in allen seinen Erscheinungsformen zu dokumentieren, zu erforschen und über ihn aufzuklären. Dieser strukturelle Rassismus geht von der Dominanzgesellschaft aus und negiert nicht nur die Heterogenität der Rom:nja und Sinti:ze, sondern erhält die ungleichen Machtverhältnisse durch die unreflektierte Reproduktion von Stereotypen und abwertenden Zuschreibungen aufrecht. Diese rassistischen Kontinuitäten aufzudecken, zu dokumentieren und die Mehrheitsgesellschaft für sie zu sensibilisieren ist das Anliegen von RomBuK.

Das Archiv ist zudem ein Ort der Selbstrepräsentation: Es sammelt vielfältige Stimmen von Angehörigen der Minderheit, um dem vorherrschenden, rassistischen Zerrbild der Dominanzgesellschaft eigene Lebensentwürfe entgegenzusetzen. Selbstzeugnisse sollen zudem aufzeigen, welche Auswirkungen rassistische Praktiken für die Lebenswirklichkeit der von Antiziganismus Betroffenen haben. Das Archiv ist damit auch ein Ort der Selbstvergewisserung und der Manifestation des Empowerments von Menschen aus der Minderheit.

Die Sammlung ist seit der antirassistischen Bürger:innenrechtsbewegung in den 1980er-Jahren ständig in Kooperation zwischen Menschen der Minderheit und engagierten Menschen der Zivilgesellschaft entstanden. Sie dient als Bindeglied, um Selbst- und Fremdzuschreibung zu identifizieren und um Kommunikation und Verständnisbildung zwischen Sinti:ze und Rom:nja und der Mehrheitsgesellschaft zu ermöglichen.

Sie bildet darüber hinaus das Gedächtnis des Rom e.V., der aus der Bürger:innenrechtsbewegung für das Bleiberecht von Rom:nja und Sinti:ze entstanden ist.

Die Sammlung des Archiv und Dokumentationszentrums besteht aus:

  • Mehr als 250 Ordnern mit Material zur Geschichte der lokalen und regionalen Rom:nja-Bewegungen, Vorgängen aus der Verwaltungstätigkeit des Rom e.V. sowie seiner Gründungsgeschichte und Vorgängerinstitutionen und Vereinigungen
  • Materialsammlungen [z.B. in Form v. grauer Literatur, Presseausschnitten, etc.]
  • Mehr als 250 Plakate
  • Rund 3.200 historische Postkarten
  • Etwa 1.790 Lithographien aus Zeitschriften des 19. und 20. Jahrhunderts
  • Etwa 9.000 Farb- und Schwarz-Weiß-Fotographien überwiegend dokumentarischen Charakters, entstanden in der Zeit von ca. 1920 bis 2000
  • (Teil-)Nachlässe, Vorlässe und Deposita von Autor:innen und Forscher:innen, darunter Korrespondenzen
  • Sammlungen von Interviews
  • Eine umfangreiche Sammlung von audio-visuellen Medien mit rund 600 gelisteten Filmtiteln und über 1.000 Audioträgern
  • Reproduktionen und Auflistungen von Fundstellen aus Archiven zur Geschichte der Minderheit
  • Realien und Objekte, die Bezug zur Minderheit und/oder zur antirassistischen Bürger:innenrechtsbewegung für das Bleiberecht von Rom:nja und Sinti:ze in Köln und Umgebung haben
  • Eine umfangreiche Sammlung von audio-visuellen Medien, darunter Spielfilme, Reportagen und Musikstücke.

Sammlungserweiterung

Die Sammlung befindet sich derzeit in einem Modernisierungsprozess, der eine Revision der vorhandenen Bestände einschließt und diese kontinuierlich rassismuskritisch erweitert.

Zudem wird ein weiterer Sammlungsschwerpunkt zu dem bei der Deportation durch den nationalsozialistischen Staat geraubten Kulturguts deutscher/Kölner Sinti:ze und Rom:nja und dessen Verbleib gebildet.

Die Minderheiten der Rom:nja und Sinti:ze sind seit Jahrhunderten rassistischen und strukturellen Diskriminierungen ausgesetzt. Die rassistische Verfolgung basiert durchweg auf der Imagination von Ethnizität[1]und/oder Konzeptionen von „Rasse“. Der Rom e.V. hat zum Ziel, diese Konzepte durch seine Sammeltätigkeit zu kritisieren und zu überwinden.

So zeigen mannigfaltige Beispiele des Missbrauchs von personenbezogenen Daten von Rom:nja und Sinti:ze der Vergangenheit und Gegenwart, welche verheerende bis hinzu mörderischen Auswirkungen der unethische und gesetzeswidrige Umgang mit ihren Daten hat. Um mit diesen Traditionen zu brechen, hat es sich der Rom e.V. zur Aufgabe gemacht, nur zu sammeln, was von Personen der Minderheiten zu diesem Zweck freigegeben ist, damit jede:r Depositar:in selbst entscheiden kann, welches Narrativ von ihm/ihr gesammelt wird und was, wann, wie zur Nutzung unter welchen Umständen freigegeben werden kann oder niemals freigegeben wird. Um die Transparenz zu wahren, ist es jedem Menschen möglich, zuvor erteiltes Einverständnis zurückzunehmen und so die Kontrolle über die eigene Geschichte zu bewahren.

Fachbibliothek

Zu dem Archiv und Dokumentationszentrum gehört eine wissenschaftliche Fachbibliothek (Präsenzbibliothek) mit mehr als 7.000 Bänden, die vor allem aus den Fachbereichen Geschichts-, Sozial-, Literatur- und Sprachwissenschaften stammen. Sie haben eine Ausrichtung auf rassismuskritische Fragestellungen und Themenkomplexe, welche die wechselhafte Geschichte sowie die (aktuellen) Lebensrealitäten von Menschen der Minderheit in Deutschland und Europa betreffen. Zudem verfügt die Bibliothek über eine in Europa einzigartige Sammlung von belletristischen und (auto-)biografischen Werke von Rom:nja und Sinti:ze, die teilweise in Romanes sowie in vielen weiteren Sprachen vorliegen. Angestrebt wird zudem eine Sammlungserweiterung im Hinblick auf Situation von Rom:nja und Sinti:ze  in den Ländern aus denen besonders viele von ihnen flüchten; vor allem jene die im deutschen politischen Diskurs als „sichere“ Herkunftsländer bezeichnet werden.

Sammlung und Bibliothek des RomBuK – Archiv und Dokumentationszentrums sind grundsätzlich allen interessierten Personen(-gruppen) zugänglich und für Forschungen unter Einhaltung verbindlicher Richtlinien, festgehalten in der Benutzungs- und in der Gebührenordnung, nutzbar.

 

Stand: Dezember 2023

[1] Der Begriff Ethnizität stammt aus den Sozial- und Kulturwissenschaften. Der Begriff zeigt die Fremdzuschreibung gegenüber einem nicht genauer definierten Anderen auf. In den 1990er-Jahren wurden der Begriff und seine Abwandlungen (z.B. ethnische Herkunft, ethnischer Konflikt) häufig in den populären Medien, z.B. der Nachrichtenerstattung durch Zeitungen verwendet. Seit den 1980er-Jahren wird das Konzept der Ethnizität im wissenschaftlichen Diskurs kritisiert, weil es eine definierbare Gemeinsamkeit annimmt: Ethnizität setzt die Vorstellung einer gemeinsamen, abschließend ausgehandelten, kollektiven Identität voraus. Erst das Konzept der Ethnizität ermöglicht die abgrenzende Definition eines Anderen.