Gedanken und Eindrücke zur Eröffnung der Ausstellung des Rom e. V. „Wir sind hier“ in der Melanchthon Akademie Köln am Weltfrauentag 2024 

 

Sie sind hier – und bleiben!

 

Den Streiks von KVB und DB haben wir zu verdanken, dass die Eröffnung der Ausstellung tatsächlich am Weltfrauentag stattgefunden hat.

Roma Frauen und Mädchen, zumeist mit ihren Familien aus Osteuropa geflohen, standen im Mittelpunkt des Nachmittags, mit ihren Texten und Portraits, die sie mit ihrer Deutschlehrerin Viola Brings erarbeitet hatten. Sie selbst haben entschieden, ob und wie sie ihr Leben und ihre Bilder öffentlich machen wollen.

Die Frauen leben zum Teil seit Jahren und Jahrzehnten in Köln. Hier haben sie ihre Kinder geboren und aufgezogen, vielfach in einer Umgebung und unter Bedingungen, die eher dem Leben in einem Slum ähnelten als dem, was in einem wohlhabenden, demokratischen EU Staat Standard ist. Sie hatten kaum Zeit für sich, keine Rückzugsmöglichkeiten in einem stressigen Alltag. Wie sich aus ihren Aufzeichnungen ersehen lässt, kämpften sie tagaus tagein, Jahr um Jahr gegen Abschiebung und Armut, für eine Wohnung, um das Recht auf Arbeit und um Schulplätze für ihre Kinder. Alles Dinge, die zu einem menschenwürdigen Dasein gehören und die ihnen auch schon im Herkunftsland nur auf dem Papier, nicht aber in der Realität gewährt wurden.

Einige Frauen äußern sich in ihren Aufzeichnungen dennoch dankbar für die Möglichkeit heute in dieser Stadt sicher leben zu können mit einem Aufenthaltstitel, einer Wohnung, einer Arbeit und oder einer Ausbildung und einer sicheren Zukunft vor allem für ihre Kinder. Die schweren Jahre, die sie hinter sich haben, haben sie eher stärker gemacht, trotz vieler gesundheitlicher Probleme, die einige belasten.

Und sie haben Träume. Alle Widrigkeiten, die vielen überflüssigen Steine, die ihnen in den Weg gelegt wurden, haben sie nicht resignieren lassen. Sie blicken zurück ohne Bitterkeit und mit Hoffnung in die Zukunft. Sie sind stark, mutig und optimistisch, diese Frauen und Mädchen. Wir können viel von und mit ihnen lernen.

Es war ein schöner, bewegender Nachmittag, fröhlich und ernst. Wir haben das gute Gefühl, dass wir im Rom e. V., Roma und Nicht-Roma, mit dem Empowerment auf einem guten Weg sind. Dieser Weg ist natürlich noch nicht zu Ende. Die Frauen wollen weiter machen.  „Sie haben großes Interesse ihr wachsendes Selbstbewusstsein sprachlich und literarisch weiter zu entwickeln und zu veröffentlichen.“ (Viola Brings)

Der Rom e. V. dankt allen Beteiligten der Ausstellung „Wir sind hier“, die mit viel Engagement und ehrenamtlicher Arbeit zum Erfolg beigetragen haben. Vor allem danken wir den Frauen und Mädchen und ihrer Deutschlehrerin Viola Brings, den beteiligten engagierten Mitarbeiterinnen der Melanchthon Akademie und des Rom e. V.

Doris Schmitz


 

Grußworte vom Team der Melanchthon Akademie 

WIR SIND HIER
So heißt die Ausstellung mit den ausdrucksstarken Portraits und den berührenden Texten von euch starken Frauen, die ihr dabei seid unter erschwerten und schweren Aufenthaltsbedingungen Deutsch und auch lesen und schreiben zu lernen.
RESPEKT!!
Wir haben uns sehr gefreut, dass ihr euch in der Melanchthon Akademie öffentlich ans Mikrophon gestellt habt und Euch vorgestellt habt und deutlich gezeigt habt:
WIR SIND HIER
Uns haben die Portraits und die Worte, die ihr unter dem Titel
BLUMEN?  – JA GERNE
gefunden habt sehr berührt.
Unsere Akademie ist nach Philipp Melanchthon benannt. Er hat sich um die Reformation der Kirche viel Gedanken gemacht. Er wollte, dass alle Menschen Männer und Frauen Jungen und Mädchen gute Chancen bekommen, selber zu lesen und selber zu verstehen, um sich selber eine Meinung bilden zu können.
BILDUNG FÜR ALLE
Damit alle teilhaben können.
Das wünschen wir uns und Euch und allen Menschen.
Wir freuen uns über jede und jeden, die und der sich selber weiterbilden will.
Wir freuen uns über weitere Worte und Texte von Euch!
HERZLICH WILLKOMMEN
Auch weiterhin
In der MELANCHTHON AKADEMIE KÖLN

Dorothee Schaper
Lena Marie Felde
Lea Braun


Fotos: Sead Memeti, Rom e.V.


 

Inspiration für die Schwarz-Weiß-Porträts der Roma-Frauen des Deutschkurses im ROM e.V., Achtsamkeit in den Bildern und meine Sichtweise.

 

Bei Porträts müssen weder Worte gesprochen noch Texte geschrieben werden, weil die Bilder selbst über das Profil der Person sprechen.

In diesem Fall sind es die Roma-Frauen aus dem Deutschkurs.

Schwarz und Weiß – die scheinbare Dualität von Licht und Schatten, von Klarheit und Dunkelheit. In dieser Farbperspektive findet meine Inspiration ihre Leinwand. Die Einfachheit dieser beiden Extreme lässt Raum für tiefe Emotionen, für Nuancen des Lebens der Frauen, die im Kontrast so wunderschön hervortreten.

In jedem Strich, in jeder Linie finde ich Ausdruck für meine Gedanken und meine Gefühle. Die Kombination von Schwarz und Weiß erlaubt es mir, die Essenz meiner Inspiration zu vermitteln, ohne Ablenkung von Farben oder Mustern. Es ist für mich die Reinheit des Ausdrucks, die mich fasziniert.

Meine Visionen erscheinen klarer, intensiver in diesem monochromen Spiel von Licht und Schatten. Die Schönheit liegt in der Einfachheit, im minimalistischen Ansatz, der Raum für Interpretation lässt. Jeder Strich erzählt eine Geschichte, jede Fläche birgt eine Welt voller Möglichkeiten.

Schwarz und Weiß sind nicht nur Farben für mich – sie sind eine Sprache, eine Melodie,  womit ich versuche, den Menschen im Porträt zu beschreiben.

Sead Memeti

 


 

Liebe Gäste und Teilnehmerinnen dieser sehr wichtigen Ausstellung.

Majanglal pe rromani ćhib te vakarav: Miśto te aven Rromnǎlen, baxtalo sem so adives avilen akate, thaj si mange drago kaj avilen pe akava nivelo te śaj keren lafi vi e gaʒenca pe germanikani ćhib. Kova si vasno and-e tumaro trajo.

Zunächst möchte ich Sie auf Romanes begrüßen: Ich heiße Sie herzlich willkommen. Liebe Frauen, ich bin stolz auf Sie, dass Sie im Laufe des Kurses ein solches Niveau erreicht haben, dass Sie sich auf Deutsch verständigen können. Es ist wichtig für Ihr Leben.

Ich bin stolz auf unsere Frauen aus unserem Kurs. Danke Viola Brings. Sie hat die Frauen dazu angeregt, ihre Kurzbiografien zu erzählen und aufzuschreiben. Ich war sofort bereit, bei der Übersetzung ins Deutsche und Romanes zu helfen und konzentrierte mich vorrangig auf dieses Projekt. Meiner Meinung nach sind diese Biografien wichtige Geschichten, echte Poesie, echte lebendige Poesie, die diese Gesellschaft, diese Demokratie und Köln im Allgemeinen brauchen. Das sind Geschichten von starken Frauen. Sie stehen zum ersten Mal im Rampenlicht auf der Bühne. Diese Frauen, die hier sind, haben ein sehr turbulentes und schwieriges Leben.

Sie können unseren Nevipe-Newsletter auch auf der Website des Rom e.V. lesen, wo auch Šerifs Geschichte veröffentlicht wurde. Vielen Dank, liebe Šerife, dass Sie den Mut gehabt haben, sie aufzuschreiben.

Und damit grüße ich Sie alle, meine Damen und Herren, auch im Namen von Rom e.V., ich grüße auch die Mitarbeiter der Melanchthon-Akademie und des Rom e.V., alle Anwesenden, Vorstandsmitglieder, Organisatoren dieser wunderschönen Ausstellung. Der Rom e.V. kämpft seit mehr als 35 Jahren für die Roma, zumeist Flüchtlinge vom Balkan.

Ich möchte der Melanchthon-Akademie für die Realisierung dieser Ausstellung danken. Diese Ausstellung ist ein gutes Beispiel für unsere sehr gute Zusammenarbeit und wir wollen uns in Zukunft auf solche Projekte und Programme konzentrieren.

Danke

Ruzdija Sejdovic


 

Der 8. März in der Melanchthon Akademie

Zunächst möchte ich der Melanchthon-Akademie und im besonderen Dorothee Schaper, Lena Marie Felde und Lea Braun danken.

Ihr habt unsere Ausstellung „Wir sind hier“ in diesen Räumen wunderbar präsentiert und die Veranstaltung trotz eines aufwendigen Umzuges und des Streiks sehr engagiert ermöglicht.
Ich danke Miki und Kristian Jankovic, dass ihr es möglich gemacht habt, heute hier zu spielen.

Das Projekt „Wir sind hier“ entstand vor einem Jahr anlässlich des Internationalen Roma – Tages am 8. April.

13 Frauen zwischen 19 und 66 Jahren nahmen an diesem Projekt teil. Es ging darum, einen geschützten Raum zu bieten, um Erlebtes zu erzählen, Wünsche und Träume in Gedanken zu fassen, und Worte zu finden für das, was ihnen viel bedeutet. Die Worte mussten gesucht werden, und zwar in mehreren Sprachen. Diese Arbeit war nur mit begleitenden Übersetzungen möglich.
Ich danke Sead Memeti und Sanela Kurtovic, die dabei oft behilflich waren.

Besonders danke ich Ruzdija Sejdovic, der für die Ausstellung alle geschriebenen Texte in Romanes und Serbisch niederschrieb und auch über das ursprüngliche Projekt hinaus Texte und Geschichten der Frauen übersetzt. (und das zu jeder Zeit und wenn es eilig war auch in späten Abendstunden) Ohne ein Team wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen.
Mein Dank geht an Sead Memeti für die Fotos. Seine ausdrucksstarken Portraits der Frauen, sie erzählen Geschichten.

Sead Memeti ist an unserer heutigen Präsentation mit Fotografie, Technik und Organisation maßgeblich beteiligt. Redjep Jashari danke ich für das Design, Sanela Kurtovic für Assistenz und Hilfe und Marion Krämer, der Geschäftsführerin des Rom e.V., die das Projekt vielfältig unterstützt.

Heute haben sich die Frauen Ihnen vorgestellt, zum ersten Mal sprechen sie vor einem Publikum, und zwar in deutscher Sprache. Zum ersten Mal sprechen sie öffentlich über sich. Heute sind sie im wahrsten Sinn des Wortes sichtbar.
Sie sind h i e r.
Vergangenheit und Gegenwart sind nur von einer dünnen Membran getrennt. Ich möchte dennoch den Blick zurück, den Blick ins Jetzt und den Blick nach vorne wagen.

Die Frauen erzählen von ihrer Kindheit, von der frühen Arbeit als Beitrag zum Lebensunterhalt der Familie.

Einer Kindheit, die aus ihrer heutigen Sicht keine Kindheit war. Sie nahmen früh Verantwortung. Ihr Leben war geprägt von Not und Überlebenskampf, bedroht von Ausgrenzung und Verfolgung, sie waren oft physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt, allein gelassen und ignoriert von staatlicher Fürsorge und der ihnen rechtmäßig zustehenden Unterstützung. Deshalb verließen sie ihr Land.  Das alles wissen wir. Das alles ist bekannt und dokumentiert. Aber davon berichten die Frauen nicht. Sie klagen nicht. Sie werden initiativ.

Nein, die Frauen entsprechen nicht dem Klischee!
Und ja, die Frauen sind für ihre Kinder da und können gut tanzen und tanzen gern
.

Jedoch sie können weitaus mehr: Einige Frauen besuchten in ihrem Heimatland die Schule.

Jetzt lernen sie Deutsch in Wort und Schrift.

  • Die Mehrzahl der Frauen konnte sich im letzten Jahr bei einem offiziellen Einstufungstest mit dem Niveau A1 GER qualifizieren. Auch in diesem Jahr verfolgen wir dieses Ziel.
  • Die Frauen sind vielsprachig, im Kurs werden viele Sprachen gesprochen: Romanes, Mazedonisch, Serbisch, Albanisch, Italienisch, Türkisch, Englisch und natürlich Deutsch.
  • Trotz Mehrbelastung durch Familie und Arbeit, der einige Frauen nachgehen, nehmen sie am Unterricht teil und nehmen zum Teil lange Wege über das Stadtgebiet hinaus in Kauf.
  • Sie schreiben Geschichten und wollen die biografische Arbeit fortsetzen.
  • Eine Kursteilnehmerin hat ihr gesamtes Leben auf vielen Seiten aufgeschrieben. (zu lesen in der ausliegenden Zeitung des Rom eV Nevipe)
  • Die Frauen haben einen Sinn für Poesie …
  • Sieben Frauen haben ihre Gedanken aktuell zum Weltfrauentag niedergeschrieben mit dem Titel „Blumen? Ja, gerne!“. Zu lesen hier in der Ausstellung

Die Frauen resignieren nicht. Sie sind mutige und starke Frauen. Sie möchten hier in Frieden leben, arbeiten, sich integrieren und partizipieren. Größten Wert legen sie auf Bildung für ihre Kinder und Enkel. Sie brauchen Aufenthalt hier für sich und ihre Familie, um den Kreislauf des unsäglichen Scheiterns zu unterbrechen. Dafür braucht es Unterstützung und den politischen Willen.

Zum guten Schluss zurück in die Gegenwart nach vorne in die Zukunft

Ich habe einige Kinder der Frauen gefragt, was sie von den Texten ihrer Mütter halten. Es ist interessant, was die jungen Menschen, eine andere Generation, dazu zu sagen hatten.
Ich danke den Kindern und Jugendlichen sehr für ihr Engagement und die Zeit, die sie nach der Schule investiert haben in gemeinsame Treffen und Gespräche.

Alle Jugendlichen sind bis auf ein Kind anderthalb Jahre in Deutschland und haben hier Deutsch gelernt. Jetzt werden sie einige Texte der Frauen vortragen stellvertretend für die Generation der Kinder und Enkel.

Viola Brings
08.03.2024

Mehr Informationen:

Die Ausstellung WIR SIND HIER ist unter folgendem Link  https://www.romev.de/?page_id=5302 zu sehen.

Podcast mit Interviews der Beteiligten: